Müdigkeits-Syndrom:
Was genau ist das und was hat Ernährung damit zu tun?
Müde und abgeschlagen – das kennen viele. Einmal richtig durchschlafen und ein Wochenende lang erholen, und die Kraft ist zurück. Doch manchen Menschen hilft das nicht: Sie sind permanent erschöpft, brauchen lange Erholungsphasen und leiden sehr darunter. Oft kommen noch diffuse Schmerzen und Konzentrationsstörungen hinzu – dahinter kann das Müdigkeitssyndrom stecken, auch genannt Myalgische Enzephalomyelitis, Chronisches Fatigue-Syndrom, Mitochondrien-Dysfunktion oder ganz aktuell Post-Covid-Syndrom.
Erworben oder vererbt?
„Ich plane meine Aktivitäten nur noch nach Energieeinheiten; spontan geht gar nichts mehr.“ Dieser Satz einer Patientin blieb mir in Erinnerung. Die Erschöpfung ist bei ihr zum ständigen Begleiter geworden und bestimmt ihr Leben. Sie braucht manchmal Tage, bis sie sich von einer Aktivität erholt.
Chronische Müdigkeit kann schleichend beginnen, meist hat sie aber einen konkreten Auslöser. Möglich sind traumatische Erlebnisse, starke geistige oder seelische Belastungen, schwere Erkrankungen oder Operationen oder eine überstandene heftige Infektion, wie z. B. Covid-19. Viele Patienten, die an Corona erkrankt waren, benötigen lange, bis sie wieder richtig fit und leistungsfähig sind. Das betrifft nicht nur ältere, sondern auch jüngere Menschen. Mittlerweile wird dieser Zustand auch als Post-Covid-Syndrom bezeichnet. Dasselbe kann aber auch eine Borreliose auslösen. Viren und Bakterien – beide können chronische Müdigkeit zur Folge haben.
Manchmal fehlt aber auch ein Auslöser. Dann lohnt ein Blick in die Familie. Oft hat ein Verwandter ähnliche Symptome. Es scheint also eine genetische Veranlagung zu geben.
Egal woher es kommt – Betroffene leiden sehr. Nicht nur, weil sie ständig müde und erschöpft sind, sondern auch, wegen fehlendem Verständnis. „Keiner nimmt mich wirklich ernst. Ich soll mich doch einfach mal richtig ausruhen, dann wird das schon wieder“ – so oder ähnlich beschreiben Betroffene, was ihnen zusätzlich zu schaffen macht. Die Beschwerden sind aber real und nicht eingebildet. Die Ursache liegt in der Schädigung unserer Zellen.
Stress in der Zelle
Ständige Erschöpfung entsteht, wenn Körperzellen unter oxidativem Stress leiden. Die Kraftwerke in unseren Zellen – die Mitochondrien – werden dadurch geschädigt und können ihre Arbeit nicht mehr richtig ausführen. Dann fehlt es schlichtweg an Energie. Das schwächt viele Organe und Systeme im Organismus. Besonders sehr energieabhängige Organe wie Gehirn, Muskel, Herz, Niere und Augen. Deshalb sind die Symptome auch so vielfältig und unspezifisch. Ein fehlgeleitetes Immunsystem ist meist mitbeteiligt.
Welche Beschwerden treten auf?
Dauerhafte Müdigkeit und Erschöpfung sind die Hauptsymptome, schwere Schlafstörungen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen können hinzukommen. Auch längere Erholungsphasen bewirken keine Besserung. Betroffene benötigen Tage, um sich von einem anstrengenden Ereignis zu erholen und können nur eingeschränkt arbeiten. Viele sind anfällig für Infekte und deshalb häufiger krank.
Auch Wortfindungs- und Artikulationsschwierigkeiten, Gleichgewichtsstörungen, Überempfindlichkeiten gegenüber Licht, Lärm und Gerüchen sind möglich. Gelenk-, Muskel- und Kopfschmerzen oder Ganzkörperschmerzen, häufig an wechselnder Stelle, kommen vor. Weitere Beschwerden können entstehen, die mit dem Syndrom selten in Verbindung gebracht werden: Reizdarm, Reizblase, Nahrungsmittelallergien- und intoleranzen. Die Krankheit wird leider auch gerne in die Ecke der psychischen Erkrankungen gesteckt – mit Bourn-Out oder Depressionen verwechselt.
Schwierige Diagnosestellung
Die Myalgische Enzephalomyelitis ist eine sehr komplexe Störung und schwer zu diagnostizieren. Es gibt keinen krankheitsspezifischen Biomarker. Nur über eine ausführliche Anamnese und Differenzialdiagnose ist es möglich, das Syndrom zu erkennen. Ich verwende in der Anamnese einen sehr detaillierten Fragebogen, der sich an den Kriterien des Centers for Disease Control and Prevention und den kanadischen Kriterien „International Consensus Criteria“ orientiert und von Prof. Dr. med. Werner O. Richter weiterentwickelt wurde.
Im ersten Gespräch frage ich gezielt nach bestimmten Symptomen und Begleiterscheinungen. Es fließen die Lebensumstände – familiär, gesundheitlich oder den Lebensstil betreffend – mit ein. So mache ich mir ein detailliertes Bild. Andere Erkrankungen, die ebenfalls für die Symptome verantwortlich sein können, müssen ausgeschlossen werden.
Die Rolle der richtigen Ernährung
Jetzt fragen sich sicher einige, was hat Müdigkeit mit Ernährung zu tun? Kann man überhaupt mit einer bestimmten Ernährungsform etwas an den Beschwerden ändern? Oh ja, das kann man! Ernährungstherapie ist sogar ein wesentlicher Baustein bei der Behandlung des Müdigkeitssyndroms.
Da es sich um eine Schädigung in unseren Energiekraftwerken, den Mitochondrien, handelt, ist die richtige Ernährung entscheidend. Mitochondrien erzeugen aus unserer Nahrung Energie für Muskeln, Gehirn und alle Zellen des Organismus. Und hier setzt Ernährungstherapie an.
Unser Energiestoffwechsel ist sehr kompliziert und ein Exkurs in die Biochemie würde hier zu weit führen. Nur so viel: Nicht jeder Nährstoff wird auf die gleiche Weise verstoffwechselt. Es gibt für Fettsäuren, Kohlenhydrate und Proteine unterschiedliche Wege, teilweise auch außerhalb der Mitochondrien, die alle zur Energiegewinnung beitragen. Vitamine und andere Mikronährstoffe sind an den Prozessen als Cofaktoren von Enzymen beteiligt. Ihre ausreichende Zufuhr muss gewährleistet sein, damit Stoffwechselvorgänge reibungslos ablaufen können. Auch mit geschwächten Mitochondrien ist es möglich, mit den richtigen Lebensmitteln, eine gute Energieausbeute zu erreichen. Man muss nur wissen, wie das geht. Der richtige Zeitpunkt, der richtige Nährstoff – und den Betroffenen geht es deutlich besser. Auch das Immunsystem lässt sich mit bewusster Ernährung unterstützen.
Erste Therapieansätze
Um Menschen mit Myalgischer Enzephalomyelitis helfen zu können, habe ich mich dem Expertenkreis rund um Prof. Dr. med. Werner O. Richter* angeschlossen. Die Therapieoptionen sind noch jung und stecken in sehr kleinen Kinderschuhen, aber es zeichnen sich vielversprechende Lösungen ab.
Mit der richtigen Ernährung können Sie Einfluss auf Ihre Beschwerden nehmen. Allgemeine Ernährungsempfehlungen sind schwer zu geben, da immer ausgetestet werden muss, welche Ansätze greifen. So unterschiedlich die Symptome, so individuell muss auch die Ernährung sein.
Das Essen an die Erkrankung anpassen, lohnt sich allemal. Jeder sollte die Chance haben, sein Leben kraftvoll und mit Energie zu führen ohne sich ständig ausgebremst zu fühlen.
Wenn Sie die Vermutung haben, am Müdigkeitssyndrom zu leiden, vielleicht schon vieles erfolglos probiert haben, freue ich mich, wenn Sie sich an mich wenden und wir gemeinsam einen für Sie passenden Weg raus aus der Erschöpfung finden.
*Prof. Dr. med. Werner O. Richter: https://www.lipid-therapie.de/